Unser tägliches Brot gib’ uns heute

Impuls zum dritten Fastensonntag / 07. März 2021

Wer schon einmal eine Bäckerei oder eine Küche betreten hat, in der es gerade nach frisch gebackenem Brot riecht, der weiß, das bewusste Einatmen, das Schnuppern nach dem in der Luft liegenden Aroma ruft die unterschiedlichsten Empfindungen hervor. Da ist zum einen die Aussicht auf Nahrung, frisch und knusprig, wie sie sich anbietet, dem Hungrigen zur Verfügung zu stehen. Aber da ist auch immer eine tiefere, nicht nur dem Körperlichen zugehörige Ebene… der Duft von Brot verheißt Sicherheit und Wohlbefinden. Es ist der Gedanke, nicht hungrig zu bleiben, die Bedürfnisse, die der Mensch an sich verspürt, erfüllen zu können. Oft werden Erinnerungen an andere Gelegenheiten, zu denen dieser Geruch dazugehörte, wie lange zurückliegende Ereignisse in der Kindheit zum Beispiel, als blitzartige Erinnerungsfetzen wieder präsent. Mit dem Riechen werden Gefühle, Erinnerungen und Sehnsüchte an die Oberfläche geholt und es ist plötzlich an uns, diesen Emotionen für einen kurzen Moment Raum zu geben oder sie wieder zu verschließen.

Diese verschiedensten Empfindungen, die mit dem Geruch, dem Anblick, dem Genuss von Brot verbunden sind, sind für Menschen überall auf der Welt weit mehr als nur das bloße Erhalten der eigenen Existenz. Es geht auch immer um Nahrung für Seele und Geist. Brot stillt Hunger, und dieser Hunger ist gerade zurzeit für uns nicht ausschließlich nur auf Nahrungsmittel beschränkt. Wir alle hungern nach Gemeinschaft, nach körperlicher, tatsächlicher Präsenz miteinander, die wir durch die Pandemie schon so lange entbehren. „Futter für die Seele“ wie zum Beispiel Musik, Theater, Malerei, alles, was man so schön unter dem Begriff „Kunst und Kultur“ zusammenfasst, braucht Schaffende und Betrachter, Zuhörer, Mitwirkende.

Auch dies ist für mich mit der Zeile im Vater Unser „unser tägliches Brot gib’ uns heute“ gemeint. Wir sind in der illustren, privilegierten Lage, jederzeit ohne viel Aufwand an Nahrungsmittel zu gelangen. Das würde reichen…aber das reicht doch nicht…?!

Das Brot war zu Zeiten Jesu DAS zentrale Nahrungsmittel. Jeder verknüpfte mit dem Vorhandensein von Brot seine tatsächliche Lebenserwartung. Ohne Brot war man zum Scheitern verurteilt. Jesus wusste dies und hat mit dieser einen Bitte um das tägliche Brot doch gleichzeitig um so viel mehr als nur ums Überleben gebeten. Mit diesem einen Satz lässt Jesus die Sorge um unser Leben in Gemeinschaft, im Austausch mit Gott und den Menschen, in Gottes Hände gleiten. Wir beten nicht nur um das Existieren von Körper und Geist, wir bitten Gott, sich unseres Lebens anzunehmen, in allem, was wir brauchen. Es mag sein, dass sich die Meinungen, was wir gerade brauchen, durchaus unterscheiden, aber wenn wir uns ganz und gar der Gewissheit überlassen, dass Gott im Gebet, welches sein Sohn uns geschenkt hat, bei uns ist, dann bitten wir mit der Zeile „unser tägliches Brot gib` uns heute“ um Gelingen unseres Lebens.

Eine schöne Woche wünscht Ihnen Sabine Meyer-Wagner

 

Das himmlische und das höllische Mahl

Ein Rabbi bat Gott: “Lass mich doch einmal einen Blick in den Himmel tun und in die Hölle!”

Gott erfüllte seinen Wunsch und sandte seinen Propheten Elija als Führer.

Der Prophet führte den Rabbi in eine große Halle. In der Mitte brannte ein Feuer und wärmte einen Topf mit einem Gericht, das den ganzen Raum mit seinem köstlichen Duft erfüllte. Um diese verheißungsvolle Speise waren Menschen versammelt, und ein jeder hatte einen langen Löffel an ihren Händen gebunden. Doch sie sahen hungrig aus, grau, fröstelnd, hinfällig. Denn die Löffel waren viel länger als ihre Arme, so dass sie ihren Mund damit nicht erreichen konnten. Freudlos und missgünstig schweigend schauten sie mit leeren Augen vor sich hin. Erschrocken und aufgewühlt ließ sich der Rabbi von diesem gespenstischen Ort hinwegführen. Er hatte genug von der Hölle gesehen.

Der Prophet führte ihn nun in einen anderen Raum. Oder war es der gleiche? Alles sah ganz genauso aus: der Kessel mit der duftenden Köstlichkeit über dem Feuer, die Menschen rund um den Herd, die gleichen überlangen Löffel. Nein, es war nicht der gleiche Raum. Die Menschen aßen. Sie sahen glücklich aus, gesund, zufrieden, voller Leben. Fröhliches Stimmengewirr und herzliches Lachen erfüllte den Raum. Das musste das himmlische Paradies sein. Doch was machte diesen gewaltigen Unterschied aus? Die Menschen hier wandten sich einander zu. Jeder benutzte seinen riesigen Löffel, um einem anderen die Speise anzureichen. Jeder blieb besorgt, dass ein anderer satt wurde. Und so erhielt auch er selbst sein Essen, konnte satt werden und genießen.

Jüdische Überlieferung

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