Geschichte ab 1902
Die Vorgeschichte der Grundsteinlegung
Über den Bauplatz der neuen Kirche gab es einen derartig heftigen Streit, dass der damalige Pfarrer sein Amt niederlegte und sich versetzen ließ. Der neue Pfarrer setzte sich über alle Bedenken hinweg und seinen Willen durch.
Die Architektur des Neubaus
Als Karl Faymonville 1922 seinen Inventarband zu den Aachener Kirchen vorlegte, widmete er dem gerade 20 Jahre alten Neubau und seinem Architekten Joseph Buchkremer lediglich einen lapidaren Satz. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass der verdienstvolle Forscher den Abriss der alten Pfarrkirche als Vandalismus betrachtete. Zum anderen hegte Faymonville – wie viele seiner Zeitgenossen – eine Abneigung gegen den auch in den 1920er Jahren nicht vollständig überwundenen Historismus.
Joseph Buchkremers Neubau war ganz im Geist des Historismus gestaltet – ein neugotisches „Gesamtkunstwerk“, das scheinbar willkürlich Vorbilder der deutschen und französischen Hochgotik zitierte und keinen unmittelbaren Bezug zu einer lokalen Bautradition aufwies. Gerade in der freien Kombination liegt jedoch die Eigenleistung vieler historistischer Bauten.
Tatsächlich ist die Heilig-Kreuz-Kirche heute der einzige Kirchenbau im Aachener Stadtgebiet, der – nicht zuletzt dank der einfühlsamen Wiederherstellung der Mittelschiffsgewölbe – einen halbwegs authentischen historistischen Kirchenraum darbietet.
Der Grundriss
Der relativ schmale Bauplatz zwischen Pfarrhaus und heutiger Kreuzherrenstrasse erforderte eine Anpassung des Grundrisses an die bestehenden Verhältnisse. Dem Grundriss (s. Abb.) nach handelt es sich um eine kreuzförmige dreischiffige Basilika mit relativ kurzem Langhaus und ausgeschiedener Vierung. Die Chorapsis ist als polygonaler 5/8-Schluss gestaltetet.
Der Außenbau
Besonders reich ist die zur Pontstrasse gelegene Schauseite mit der dreifach gestaffelten Fassade gegliedert: Den unteren Teil beherrscht das aus drei Toren bestehende Hauptportal, das eine Art Vorhalle bildet und das in einem dreieckigen Ziergiebel mit Krabbenbekrönung endet.
Die darüber liegende Zone enthält ein dreigeteiltes Maßwerk-Radfenster mit steinernem Kruzifixus, der von Fialen (Ziertürmchen) mit Skulpturen der hl. Jungfrau Maria und dem hl. Johannes flankiert wird. In der abschließenden Giebelzone steht eine Statue der Hl. Helena, römische Kaiserin und Mutter des ersten christlichen Kaisers Konstantin, die der Legende nach auf einer Pilgerfahrt das Kreuz Christi wiederaufgefunden hat. Als Attribut hält sie das Kreuz, zu ihren Füßen ist die in Stein gemeißelte Inschrift „stat crux dum volvitur orbis“ (Das Kreuz steht, während der Erdkreis sich dreht.) zu lesen.
Ein der deutschen Hochgotik entlehntes Element ist der markante Einturm, den Buchkremer allerdings nicht zentral, sondern – eine reizvoll asymmetrische Lösung – vor die nördliche Seitenschiffflucht platzierte. Der Turm ragt leicht in den Straßenverlauf vor. Seine nach oben sich verjüngenden Geschosse folgen dem polygonalen achteckigen Grundriss, den Abschluss bildet ein schlanker Turmhelm. Die Geschosse sind durch unterschiedliche Fensterformen (Blendnischen, Zwillingsfenster) gegliedert. Die statische Verbindung von Seitenschiffen und Mittelschiff erfolgt ringsum am Außenbau über massives Strebewerk. Über der Vierung erhebt sich ein schlanker Dachreiter.
Die Plastizität des Außenbaus ist vor allem eine Folge der ausgewogenen Verteilung der Baumassen. Durch die polygonalen Abschlüsse der Querschiffe und den vorgelagerten südlichen Kapellentrakt wird der Eindruck erweckt, die Kirche sei von Kapellen umgeben; sie wirkt dadurch größer, als sie in Wirklichkeit ist. Zu diesem Eindruck trägt auch das Material bei. Der Neubau wurde in sandfarbenem Haustein ausgeführt; das Mauerwerk besteht aus sorgfältig rustizierten Natursteinquadern.
Der Innenraum
Blieb die Außengestalt der Kirche trotz der Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges weitgehend erhalten, so hat der Innenraum gravierende Veränderungen erfahren, namentlich durch die Verlegung des Altarbereichs und durch den Verlust der Glasfenster (die in der Taufkapelle erhaltenen Fragmente zählen ironischerweise zu den ältesten in situ befindlichen Kirchenfenstern Aachens).
Beim Eintritt in die Kirche weitet sich der Innenraum zu beiden Seiten. An der Nordseite schließt sich der Turm an, während sich an der Südseite die auf dem Platz der ehemaligen Julianskapelle errichtete Taufkapelle (heute Sakramentskapelle) befindet.
Die vierteiligen Kreuzrippengewölbe des Mittelschiffs lasten auf mächtigen, etwas gedrungenen Rundsäulen. Ihre Kapitelle sind überreich mit Weinlaub und Blattwerk verziert, ein in der Hochgotik verbreitetes Dekorationsmotiv. Der zweizonige Wandaufbau des Mittelschiffs folgt Vorbildern der Brabantischen Gotik (z. B. Mechelen, Kathedrale Sint-Rombout). Kleine Halbsäulen (sog. Dienste, wegen ihrer dienenden, statisch mit den Gewölberippen verbundenen Funktion) leiten von der unteren Arkadenzone zum Obergaden über, der von Maßwerkfenstern gegliedert wird.
Die Seitenschiffe sind schmal und deutlich niedriger als das Mittelschiff, sie besitzen heute noch die nach dem Zweiten Weltkrieg provisorisch eingezogene hölzerne Flachdecke. Sie setzen sich über die Vierung hinaus zu beiden Seiten des Chorbereichs fort (an der Nordseite die Sakramentskapelle, an der Südseite die Marienkapelle), wodurch die geringe Nord-Süd-Ausdehnung des Querhauses aufgefangen wird. (Die Erweiterung der südlichen Kapelle – heutiger Standort des Couven-Tabernakels – ist eine Zutat des Umbaus von 1963) Die beachtliche Raumhöhe (** m) sowie die im Zuge der Liturgiereform erfolgte Verlegung des Altars in die Vierung tragen zu dem dennoch großzügigen, weiten Raumeindruck bei.
Komplettiert wurde der Innenraum von einer reichen farbigen Fassung; auf älteren Fotos erkennt man die ornamentale Ausmalung der Schwibbögen und Gewölberippen. Auch das neu angeschaffte Mobiliar trug wesentlich zum Eindruck des neugotischen „Gesamtkunstwerks“ bei: Erhalten haben sich die Kirchenbänke mit ihren reich geschnitzten Wangen, die Beichtstühle, die Kreuzwegstationen (Öl auf Zink, frei nach einem Hans Memling zugeschriebenen Vorbild in Brügge), Teile der steinernen Kommunionbank und ein Flügel des ehem. Hochaltars (Geburt Christi).
Wiederherstellung und Veränderungen nach 1945
Wiederherstellung der Gewölbedecke (1964/65)
Die über der Kassettendecke noch vorhanden Gewölbereste waren im Laufe der Zeit so verwittert, dass sie eine Gefahr für die Kirchenbesucher bedeuteten. Eine endgültige Lösung musste darum angestrebt werden. Im ersten Bauabschnitt wurden die Flachdecke und die Gewölbereste abgetragen und das Mittelschiff neu eingewölbt. Die Gewölbebauer der Firma Schlun (Gangelt) setzten dazu über weite Leerbogen neue Rippen und mauerten diese mit Bimssteinen aus. Im zweiten Bauabschnitt wurde über Vierung, Querschiff und Chorraum das Gewölbe ebenfalls erneuert und ausgemauert. Anschließend galt es, die Bimssteine zu verputzen und die abschließenden Malerarbeiten durchzuführen. Pfingsten 1965 konnten die Kirchenbesucher die neuen Gewölbe in ruhigen Farbtönen erleben. Jetzt dominiert im ganzen Raum wieder die aufsteigende, senkrechte Linie der gotischen Architektur.
Die zur Beseitigung der Kriegsschäden eingebaute Kassettendecke ist bis heute erhalten und in den Seitenschiffen zu sehen.
Neugestaltung des Altarraums
Nach Wiederherstellung der Gewölbedecke wurde die Orgel aus dem Hauptchor hinter dem Lettner auf die Empore zurückversetzt. Dadurch konnte 1966 der Altarraum umgestaltet werden. Der Lettner wird abgetragen und die Kreuzigungsgruppe in der Apsis aufgestellt. Ebenfalls fällt die Schranke der massiven Kommunionbank fort. Der Altar steht nun deutlich im Mittelpunkt der liturgiefeiernden Gemeinde.
Für die Tabernakelaufstellung findet sich eine gute, mit dem neuesten kirchlichen Empfehlungen übereinstimmende Lösung durch die Errichtung einer Sakramentskapelle in der linken Seitenapsis. Die frühere Messdienersakristei wird in die Umbauten mit einbezogen.
Instandsetzungsarbeiten von Turm und Kirche (80er Jahre)
‚Steinschlag an Hl.Kreuz’ weist ab 1981 mit Vehemenz darauf hin, dass die Bausubstanz der Kirche instandgesetzt werden muß, um vor Personenschäden zu schützen.
Die durchgeführten Sofortmaßnahmen an der Figurengruppe über dem Eingangsportal wie das entfernen loser Steine und das Abnahmen der zentnerschweren Johannesfigur erfordern weitere unverzügliche Sanierungsmaßnahmen im großen Stil.
Nach Abschluß der umfangreichen Voruntersuchung mit Kamera und Hubwagen durch unseren Architekten Walter Horn werden in den zuständigen Gremien Art und Umfang sowie die Reihenfolge von 6 Bauabschnitten von 1982 bis 1987 festgelegt. Die Bausumme wird auf insgesamt 2,5 Millionen DM veranschlagt. 5 % von dieser riesigen Summe hat die Gemeinde als Eigenanteil zu tragen.
Am 6.September 82 wird mit den ersten Bauarbeiten begonnen. Zunächst werden alle Dachrinnen und Schneefanggitter erneuert, um zukünftig das Eindringen des Wassers in die Mauerkronen zu verhindern. Der Dachstuhl stabilisiert durch Einziehen von Windverbänden. Auch werden tragende Holzbauteile erneuert und zusätzliche Streben und Verbindungsmittel am Dachstuhl angebracht. Ebenso werden Sanierungsmaßnahmen am Turmhelm vorgenommen. Im Innenraum werden Maßnahmen gegen aufsteigende Feuchtigkeit ausgeführt.
1983 stehen die umfangreichen Instandsetzungsarbeiten am Kirchturm im Vordergrund. So sieht man Turm und Kirche seit Mai 83 grün verkleidet. Die Maßwerkfenster unter der Glockenstube werden erneuert. Danach werden die Fenster von Chorhalle und Querschiff restauriert. Im März 87 beginnt endlich der sechste und vorerst letzte Bauabschnitt. Hier wird die Westfassade zwischen Pfarrhaus und Kirche restauriert.
Veränderungen im Innenraum der Kirche (nach 1980)
Im Rahmen der äusseren Instandsetzung erfährt auch der Innenraum zeitgemäße Veränderungen.
Der bisherige Altar mit Stufenberg wird abgetragen und als Zelebrationsaltar der künstlerisch wertvollere Iserlohe-Altar mit Zustimmung des Künstlers und der Kunstkommission des GV aus der Marienkapelle an dessen Stelle umgesetzt (1987). Der Chorraum wird umgestaltet, um dort die Werktagsmessen mit kleiner Gottesdienst-Gemeinde zu feiern. Das Taufbecken wird aus dem Eingangsbereich in den Chorraum versetzt. In der Eingangshalle wird ein Absperrgitter eingebaut, um den täglichen Zugang zur Kirche ohne Aufsicht zu ermöglichen (1990). In diesem Zusammenhang werden auch die Weihwasserbecken neu postiert. Nach Abschluß der Bauarbeiten wird auch die Orgel umfangreich restauriert (1988). Erneuerung der Heizung durch handwerkliche Arbeitsleistung von Ehrenamtlichen erst finanzierbar. In diese große Bauphase fällt auch die Entscheidung, zusätzlich die marode Heizungsanlage der Kirche durch eine neue zu ersetzen. Von den veranschlagten ca. 200 000,- DM muß die Pfarrgemeinde 50%, also 100 000,- DM, übernehmen. „Eine kalte sanierte Kirche nutzt niemandem; dann bleiben die Gläubigen in den Wintermonaten zu Hause oder wandern in die wärmeren Nachbarkirche4n ab,“ argumentieren KV und PGR.
Der Pfarrgemeinderat erklärt sich nach Diskussionen bereit, die mögliche Eigenleistung zu organisieren und so mehrere 10 000,- DM zu ersparen. Mehrere Wochen lang sieht man jetzt täglich (Okt./Nov.) 10-15 Männer und vereinzelt auch Frauen von 17 – 22 Uhr bei der Arbeit in der Kirche. Die Heizungskeller werden leer geräumt, mit Fäustel Mauerwerk abgebaut und mit Schweißbrennern die schweren Heizungskessel auseinander getrennt. In der Kirche werden die Bänke in den Seiten- und Querschiffen sowie im Chorraum abgebaut und aufgestapelt. Fußbodenplatten werden aufgenommen, Gräben und 8 große Schächte für die neuen Wärmestationen ausgehoben und ein Sandbett für die Verlegung der Installationen aufgefüllt. Schweißtriefend und staubbedeckt müssen die Ehrenamtler mit Presslufthämmern hartnäckigen Steinbrocken und Betonschichten zu Leibe rücken.
Als man aus den unteren Schichten vermehrt Knochen zutage fördert, verordnet das Rheinische Amt für Denkmalpflege (Brauweiler) einen 14-tägigen Baustopp wegen historischer Nachforschungen. Nach Installation der Heizung werden Gräben und Schächte bis zur Betonauffüllung mit Sand verfüllt und verfestigt. Nach gelungenen Probeläufen und Einstellarbeiten werden die Gräben mit Blausteinen zugedeckt und die Bänke wieder an ihrem Platz befestigt.
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