Einführung zu den Sonntags-Impulsen in der Fastenzeit
Das Vater Unser ist das wichtigste und bekannteste zentrale Gebet aller Christen. Es dürften über 1000 Sprachen sein, in denen es weltweit gebetet wird. Wie im Lukas Evangelium erzählt, verdanken wir es einem anonymen Jünger Jesu. Dort wird berichtet, dass Jesus sich – wieder einmal – zum Gebet zurückgezogen hat. Als er in den Kreis seiner Freunde und Schüler zurückkehrt, spricht ihn dieser unbekannte Jünger an. Vielleicht hat er wahrgenommen, dass Jesus bei seiner Rückkehr verwandelt ist, dass er eine neue intensive Ausstrahlung von innerer Ruhe und Kraft gewonnen hat. Vielleicht hat dies den Jünger berührt und er möchte daran teilhaben. So sagt er: „Herr, lehre UNS beten!“
Jesus erfüllt die Bitte sofort. Er gibt den Jüngern einen konkreten Text quasi als Modell, später eine Anleitung zur inneren Grundhaltung beim Beten. Gott als Vater – die Heiligung des Namens Gottes – das Kommen seines Reiches – der Vollzug des Willens Gottes – die Fürsorge Gottes für die Menschen: Das alles sind die durchgängigen Themen der Verkündigung Jesu und sie alle finden sich im Vater Unser-Gebet wieder.
Die Struktur des Gebetes ist einfach: Der erste Teil verbindet die Vater- Anrede Gottes mit zwei bzw. drei Du-Bitten, der zweite Teil formuliert drei Wir- Bitten mit Blick auf das Leben der Menschen. Danach folgt der Lobpreis.
Die DU-Bitten zielen auf die Wahrheit Gottes selbst, die sich im heiligen Namen manifestiert, im Ausbruch des Reiches Gottes konkret wird und in der Erfüllung seines Willens verwirklicht. Die WIR-Bitten nehmen die Grundbedürfnisse des Menschen und seine Beziehung zu Gott in den Blick: das täglich notwendige Lebensbrot (kein Überfluss!), die Vergebung der Schuld und die Erlösung vom Bösen.
Der hymnische Nachsatz: „Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“ ist angelehnt an ein Gebet Davids, das sich im Alten Testament im 1. Buch der Chronik findet als ein Lobpreis der Größe und Barmherzigkeit Gottes.
Die sehr frühe Überlieferung des Vater Unsers weist darauf hin, dass dieses Gebet schon sehr bald einen festen Platz in der christlichen Gemeindeversammlung hatte. Es diente dem Gedächtnis Jesu selbst, denn wie bei keinem anderen Gebet ist mit dem Vater Unser-Gebet die Verheißung verbunden, im Mitsprechen dieses Gebetes Anteil an der Gottesbeziehung Jesu zu erhalten.
Im 2. Jahrhundert wurde es schon in die Taufliturgie aufgenommen. Dreimal täglich beten galt als Lebensregel aller Getauften.
200 Jahre später wurde es in die Liturgie aufgenommen unmittelbar vor der Kommunion in dem Sinne: erst sollen sich die Getauften miteinander versöhnen und danach gemeinsam das eucharistische Mahl feiern.
Ein weiterer Aspekt: Im westeuropäischen Christentum blickt dieses Gebet auf eine besondere Geschichte zurück: Karl der Große bestimmte 780 n. Chr., dass das Vater Unser jeder Christ kennen und beten solle. Auch liturgische Reformen nutzte er als Mittel, um sein großes politisches Reich nördlich der Alpen zu einigen. So schaffte Karl der Große, dass das Vater Unser im westeuropäischen Christentum früh zu einem täglichen Grundgebet aller Christen im Lebensalltag wurde.
Sie alle sind herzlich eingeladen, sich mit diesem besonderen Gebet in der Zeit bis Ostern auseinander zu setzen. Es stecken so viele Gedanken und Themen darin!
Ihre Hildegard Döltgen