Über dreißig Interessierte kamen zum Dialog über die Zukunft der Gemeinden in der Pfarre Franziska von Aachen beim ersten Franziska Forum im Adalberthaus zusammen. Dabei waren Mitglieder der traditionellen Gemeinden, ebenso wie Engagierte aus verschiedenen Initiativen, aber auch von Kafarna:um und Zeitfenster, den beiden jüngsten Gemeinden der Pfarre. Sie alle verband, dass sie in Franziska von Aachen einen Ort für ihren Glauben finden.
Dieses bunte Spektrum skizzierte Pfarrer Dr. Claus Wolf in seinem Einleitungsvortrag, in dem er die einzelnen Gemeinden und ihre Schwerpunkte vorstellte. Sein Fazit: “Es gehört zum Wesen von Kirche, dass sie sich ständig erneuern muss („ecclesia semper reformanda“)! Dabei geht es immer um die Unterscheidung von Zeitgeist und dem Wirken des Heiligen Geistes in der Zeit! Kirche ist immer auch ‘Baustelle’!” So wie man es gerade am Turm von St. Foillan ablesen kann. Und so fuhr Pfarrer Wolf entschieden fort: “Den Mut, in Zukunft unser Profil weiter zu entwickeln lassen wir uns dabei nicht nehmen!” So verkünden die Banner am Gerüst quasi unser Motto: „Fürchtet Euch nicht!“ „Wir wollen reden!“
Ein simpler Vorschlag, der es in sich hat
Der Theologe Burkhard Knipping wies in seinem Impuls auf die Notwendigkeit eines anderen Ansatzes für die Zukunft hin. Nicht mehr der Verweis auf das, was wir noch alles brauchen, damit es wieder gut wird in der Kirche, was andere bitte noch leisten sollen, wie andere sich bitte ändern sollen, hilft uns weiter, sondern “der Ansatzpunkt für die Zukunft des Christ-seins liegt allein bei denen, die ihren Glauben in ihrem Leben wirken lassen wollen. – Also an mir selbst!” Mit diesem vielleicht naiven und simplen Vorschlag sieht er sich aber in guter Gesellschaft, z.B. beim Apostel Paulus, der ebenfalls auf die einzelnen Gläubigen und ihre Gaben des Geistes gesetzt habe. Und so entwickelte Knipping das Bild einer zukünftigen Kirche, die sich konsequent aufbaut von unten, vom “Ich”, das seinen Gott erfährt und darüber zum “Du” gelangt, mit dem diese Erfahrung und das Leben reflektiert und weiterentwickelt werden. Daraus entsteht das gemeinsame Handeln und Feiern, das in einer gemeinsamen Feier, der Eucharistie gipfelt, die die “Gemeinde” der Zukunft am Sonntag zusammenführt. Dieser Sonntag müsse aber wesentlich mehr sein als ein Gottesdienstbesuch, er müsse vielfältige Angebote zur Stärkung von Leib und Seele bieten, eine echte Auftankstation für die Woche sein; mit Sport und Meditation, Diskussion und Glaubenskurs, Kaffee und Kneipe, Kreativworkshop und Sozialberatung, Lobpreis, Schweigen, gemeinsames Gebet und Eucharistie. In letzter Konsequenz würde eine solche Kirche auf festangestellte Seelsorgende ganz verzichten können. Aufgrund des Engagements der Christgläubigen wird ein Modellwechsel stattfinden, vom petrinischen Modell (der Lebensunterhalt des Petrus wurde von der Jerusalemer Gemeinde finanziert) hin zum paulinischen Modell (Paulus erarbeitete sich seinen Lebensunterhalt selber). Für Knipping könnte das ein Weg sein, der aus der Jahrzehnte andauernden gegenseitigen Frustration und Enttäuschung zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen herausführt. Ein solches Christentum bräuchte auch keine Angst mehr vor anderen Religionen haben, sondern könnte in einem neuen “Miteinander” der Religionen die Polemiken unserer Tage (“Der Islam gehört nicht zu Deutschland!”) überwinden und eine weltpolitisch relevante Perspektive einnehmen. Das Redemanuskript kann hier heruntergeladen werden.
Wertschätzender Dialog und fairer Umgang
In drei Tischgesprächsrunden tauschten sich die Teilnehmer*innen über ihre Sicht der Situation der Pfarrei aus, über die Anregungen von Burkhard Knipping und entwickelten eigene Vorschläge und Ideen. Diese reichten vom gemeinsamen Pfarrbrief der Pfarrei bis zum “α-Kurs” (konfessionsübergreifende Basis-Katechese zum Christentum), von der Vortragreihe “Auf den Spuren des Hl. Foillan” bis zu den “Inspiring Mornings” (eine Frühstücks-Vortragsreihe für die Szene der Sinnsucher und derer, die an der Veränderung der Welt mitwirken wollen). Was hier von in Zukunft umgesetzt wird, hängt von der Initiative der einzelnen Engagierten und dem Rat der Gemeinschaft der Gemeinden Franziska von Aachen ab, der zu diesem Tag eingeladen hatte.
Die Resonanz der Teilnehmer*innen war jedenfalls sehr positiv, besonders gefallen haben, die sehr wertschätzenden Dialoge an den Tischen. Das verstärkte Burkhard Knipping in seinem Schlussstatement; ein Schlüssel zur Zukunft liegt im wertschätzenden Umgang mit den sehr unterschiedlichen Glaubenserfahrungen und Meinungen. Nur so können die Herausforderungen des engen Miteinanders in der Innenstadt gemeistert werden. “Auch wenn etwas nicht ihrem Geschmack entspricht, dürfen sie einander nicht den guten Willen und den rechten Glauben absprechen!”
Die Organisatoren waren überrascht, dass so viele Menschen unterschiedlichen Alters zusammenkommen, um über die Zukunft des Christseins in Aachen zu diskutieren, bzw. sich Gedanken zu machen. Auch das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich die Kirche der Zukunft unter uns entwickelt.
Jürgen Maubach