Ihr seid nicht allein

Impuls zum 6. So. der Osterzeit / 17. Mai 2020

„Ich werde Euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“

Wir leben seit einigen Wochen in der Corona Krisenzeit, in der nichts mehr als normal bezeichnet werden kann, was wir vorher als selbstverständlich betrachtet haben.

So z. B. die Besuche bei meiner 95-jährigen Mutter, die in einem Altenheim lebt. Da fanden bis Anfang März noch soziale Treffen in der gemütlichen Caféteria statt, Gottesdienste jeden Samstag in der Eingangshalle,  Gymnastikkurse und musikalische Geselligkeiten. Das, was die alten Leute sicher am liebsten haben, die Besuche von Kindern, Enkeln und alten Freunden, es findet mit dem Covid-19-Virus ein abruptes Ende. Kontakte zur Familie konzentrieren sich nur noch über das Telefon oder in schriftlicher Form. Es beginnt ein ungewohntes Gefühl des Alleinseins für viele Bewohner des Heimes. Ausgangssperre und Besuchsverbote als eine Folge der zunehmenden Pandemie.

Wie gut, dass das bemühte Leitungsteam mit engagiertem Pflegepersonal Ideen hat, trotz der neuen  Situation, unterhaltsame Momente für die alten Leute zu finden.  Die Zeit wird somit verkürzt und die Schattenseiten vorübergehend vergessen. Musik als Therapie ist schon immer eine Erfolgsgarantie gewesen.

Im Gartenbereich, abgezäunt von angrenzenden Parkbesuchern, lässt sich ein Musiker-Duo mit Geige und Gitarre nieder, um alte Weisen und Volkslieder vorzuspielen.

Ich befinde mich zum richtigen Zeitpunkt hinter dem Zaun, um von weitem einen Blick zu erhaschen.

Mit der emotionalen Stimmung habe ich jedoch nicht gerechnet. Hinter den Fensterscheiben stehen für eine ganze Stunde lang die Heimbewohner, mit Taschentüchern winkend, im Terrassenbereich einige Rollstühle in Betreuung vom Pflegepersonal, ebenfalls aufmerksam lauschend. Welch eine Atmosphäre, irgendwie irrational und dennoch verbindend mit allen, die vor oder hinter dem Zaun verharren.

Im öffentlichen Park bleiben Spaziergänger stehen, Kinder und ihre Eltern lächeln und winken zu den alten Leuten hinauf. Es wirkt ruhig und feierlich, fast als würde die Zeit still stehen. Ich schäme mich nicht meiner Tränen, als meine Mutter mir von oben herab zuwinkt und sehe, dass auch neben mir jemand sein Taschentuch in die Hand nimmt.

Vielleicht sind dies die wichtigen Momente, die im Gedächtnis zurückbleiben:  Menschlichkeit in einer krisenhaften Phase der Geschichte.

Ihr seid nicht allein. „Ich komme zu Euch“

Ihre Steffi Diefenthal

Evangelium nach Johannes

Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. 18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. 19 Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet. 20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. 21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Text aus der Einheitsübersetzung 2016, Joh 14,15-21

Foto: Georg Arthur Pflüger/Unsplash

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