Impuls zum 3. Sonntag der Osterzeit / 26. April 2020
Das furchtbare Erlebnis der Kreuzigung ihres Messias, die Angst selbst anschließend vielleicht ein ähnliches Schicksal zu erleiden, die Enttäuschung, dass das Königreich von Jesus wohl ein anderes ist, als das, was sie erhofft hatten, wirkt bei den Jüngern lange nach. Die zwei Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus und sein Sendungsauftrag haben daran nichts geändert. Auch die mehrtägige Reise von Jerusalem nach Hause zu ihren Familien hat sie nicht weitergebracht. Sie haben immer noch keine rechte Vorstellung davon, wie sie jetzt weitermachen sollen.
Die sieben Jünger, von denen im Johannes-Evangelium berichtet wird, sind Fischer. Sie leben am See Genezareth, der mehr als zwanzigmal so groß ist wie der Rursee und auch heute noch als sehr fischreich gilt. Sie hoffen, dass der gewohnte Alltag ihnen wieder Sicherheit gibt. Eines Abends treffen sie sich am See. Petrus sagt: “Ich gehe fischen“. Die Anderen folgen ihm und so steigen sie gemeinsam ins Boot. Die Sieben sitzen also immer noch „im gleichen Boot“, aber irgendetwas ist falsch. Sie fangen in dieser Nacht nichts, in einem derart großen und fischreichen See eigentlich erstaunlich.
Jesus hätte es dabei belassen können. Man hätte sich in Galiläa noch eine Zeitlang an ihn erinnert, aber wir wüssten heute nichts mehr von ihm. Er lässt aber nicht locker und erscheint den Jüngern ein drittes Mal. Als sie am frühen Morgen müde und hungrig mit dem Boot auf das Ufer zusteuern, steht er da und fragt: “Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ Er spricht sie nicht mit Apostel, oder Jünger an, sondern eher fürsorglich mit „Meine Kinder“. Er sagt auch nicht „Habt Ihr keinen Fisch gefangen?“, sondern: „Habt ihr keinen Fisch zu essen?“ Jesus weiß genau, wie sie sich gerade fühlen. Die Jünger verzichten auf Ausflüchte oder Erklärungen, sie sagen einfach „Nein“. Sie wissen nicht mehr weiter.
Er sagt ihnen, dass sie das Netz auf der rechten Seite auswerfen sollen. Die rechte Seite ist in der Bibel die göttliche Seite. „Jesus setzte sich zur Rechten Gottes“. Sie wissen in dem Moment nicht, dass er es ist. Sie sehen einfach einen Fremden, der am Ufer steht, ihre Situation versteht und von diesem Ufer eine andere Perspektive hat als sie auf dem Wasser. Prompt sind die Jünger erfolgreich und fangen 153 Fische, eine sehr große Zahl.
Jesus, der möchte, dass die Jünger als Menschenfischer arbeiten zeigt ihnen mit dieser großen Fülle eine enorme Perspektive. Gleichzeitig signalisiert er ihnen, dass sie diese Aufgabe, die als Perspektive vor ihnen steht, bewältigen können, denn das Netz reißt nicht.
Die Jünger ziehen das schwere Netz mit dem Boot an Land. Petrus freut sich sehr, Jesus zu sehen und springt vom Boot, um schneller am Ufer zu sein. Erfüllt von dieser Begeisterung und Zuversicht, schafft er es, das Netz alleine ans Ufer zu ziehen. Bei näherem Hinsehen ist das unglaublich, da das Netz mit großen Fischen gefüllt war, heißt es im Evangelium. 153 davon kann ein Mensch eigentlich nicht alleine ziehen. Jesus gibt Petrus in diesem Moment die Kraft dazu.
Von Dietrich Bonhoeffer ist ein Zitat aus einem Brief während seiner Haft bekannt: Er schreibt: “Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ Petrus und seine Jünger haben diese ungeheure Kraft gespürt, die Jesus ihnen in diesem besonderen Moment gegeben hat. Sie kam erst, nachdem sie sich auf die Hilfe des zunächst für sie fremden aber offensichtlich vertrauenswürdigen Menschen eingelassen und das Netz nach rechts ausgeworfen haben.
Die Botschaft, auf Gott zu vertrauen, hat von ihrer Stärke auch nach 2000 Jahren nichts verloren und hilft uns auch heute noch in diesen besonderen Zeiten. „Tutto andrà bene“ („Alles wird gut“) steht auf vielen Zetteln in Fenstern in Italien. Vertrauen wir darauf, dass Gott jedem von uns zum richtigen Zeitpunkt die Kraft gibt, die Herausforderungen seines Lebens zu bewältigen und diese Kraft auch im notwendigen Moment für seine Mitmenschen einzusetzen.
Ihr Gangolf Ehlen
Evangelium nach Johannes
Jesus erscheint seinen Jüngern am See Genezaret
1 In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tibérias, und er offenbarte sich in folgender Weise. 2 Simon Petrus, Thomas, genannt Dídymus, Natánaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen.
3 Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. 4 Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.5 Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. 7 Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See.
8 Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot– sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. 9 Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. 10 Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! 11 Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. 12 Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.
14 Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.
Text aus der Einheitsübersetzung 2016, Joh 21,1-14
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