Wegzehrung

Impuls zum Gründonnerstag / 9. April 2020

Heute feiern wir Gründonnerstag. Jesus und die Frauen und Männer, die ihn begleiten, haben eine ungewöhnliche Woche sowohl hinter sich als auch vor sich. Noch das freudige „Hosianna!“ vom Einzug nach Jerusalem im Ohr, eingeladen zu einem gemeinsamen Abendmahl und noch keine wirkliche Ahnung vom bald darauf folgenden Ruf der Menge „Kreuzige ihn!“ Jesus weiß bereits, dass er sterben wird. Er hat an diesem letzten Abend noch viel zu tun und viel zu sagen, und er macht uns dabei drei sehr kostbare Geschenke.

Er gibt uns mit Brot und Wein eine Wegzehrung und Stärkung, die uns Kraft und Zuversicht für unseren eigenen Lebensweg gibt und uns immer wieder zur Gemeinschaft auffordert und einlädt.

Er ist uns mit der Fußwaschung, von der das Johannesevangelium erzählt, noch einmal ein sehr anschauliches Vorbild. Jesus macht deutlich, dass er nicht Sklave, sondern Herr und Meister ist. Er wäscht die Füße der Jünger also nicht, weil er muss, sondern weil er will. In der Fußwaschung erniedrigt sich Jesus freiwillig, um seinen Jüngern zu dienen. Dies soll uns zum einen ein Beispiel dafür sein, wie wir miteinander umgehen, uns begegnen und in uneingeschränkter Liebe dienen sollen. Zum anderen ist dies eine wunderbare Vorahnung dessen, was am Kreuz von Golgatha geschieht, wo Jesus freiwillig für uns durch Tod und Leiden geht, um uns ein Leben nach dem Tod zu ermöglichen.

Ein weiteres Geschenk an diesem Abend sind seine Worte. Er spricht noch einmal sehr eindringlich zu uns und fasst zusammen, was für ihn am allerwichtigsten ist: „Liebt einander, dient einander, daran wird man erkennen, dass ihr meine Freunde seid.“

Wie ordnen wir den Gründonnerstag nun dieses Jahr in diese für uns so ungewöhnliche Zeit ein? In drei Geschenke?

Brot und Wein (lieber Saft) bringe ich in diesem Jahr jeden Tag an den Gabenzaun am Rehmplatz und teile dort mein Brot mit den Obdachlosen und armen Menschen unserer Stadt, die momentan unter den Bedingungen der Corona Krise, wie so oft mehr leiden, als andere Teile der Gesellschaft. Sie benötigen diese Wegzehrung dringend und sind sehr dankbar dafür. Dies habe ich bei unserem letzten Sonntagsfrühstück in St. Andreas und auch am Zaun direkt immer wieder gesagt bekommen.

Ob uns Jesus heute noch die Füße waschen würde, frage ich mich und komme zu dem Schluss, dass er uns heute wohl eher regelmäßig den „Kopf waschen“ würde. In seinen Handlungen wäre dennoch die gleiche bescheidene Bestimmtheit. Er ist bei den Menschen, die gerade einsam sind, erkrankt sind, um einen Menschen trauern, sich Sorgen um ihre finanzielle Zukunft machen, in Bereichen der kritischen Infrastruktur arbeiten … Machen wir es ihm nach und unterstützen diese Menschen ganz besonders.

Die Aufforderung, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen würde er genauso vehement vertreten wie damals. Was würde er zu uns sagen in diesen Tagen? Gehen wir seinem Wort nicht aus dem Weg, sondern lassen wir uns treffen und anstecken von Jesu Anspruch, von Jesu Vergebung und von Jesu Liebe.

Und so möchte ich enden mit dem Refrain des Liedes, das die „Soerser Höhen und Tiefen“ letztes Jahr am Gründonnerstag gesungen haben: Dies ist gleichzeitig eine sehr schöne Erinnerung und ebenso eine Vorfreude auf das Singen im Chor und das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten.

„Die Liebe ist gütig, geduldig und freundlich, die Liebe verletzt nicht und redet nicht schlecht. Die Liebe sucht Frieden, freut sich an der Wahrheit, sie trägt dir nichts nach und sie sucht nicht ihr Recht. Die Liebe verändert den Weltenverlauf, die Liebe hört niemals auf.“

In diesem Sinne: Wachet und betet!

Mit vielen lieben Grüßen!

Ihre Susanne Jolles

Evangelium nach Johannes

Die Fußwaschung

Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.

Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt.

Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt.

Text aus der Einheitsübersetzung 2016, Joh 13,1, 3–10, 12 – 15, 34 -35

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