Keine Angst vor der Öffnung der Kirche

Kritische Stimmen zur Tisch-Aktion in St. Foillan

P1100058 1000x

Viele Menschen haben sich über unseren einladenden, gastfreundlichen Tisch in der Kirche am Samstag, den 16. März gefreut. Das wissen wir aus den vielen Gesprächen, die wir mit den Menschen am Tisch und an der Tür geführt haben. Ihnen war oft eine positive Überraschung anzumerken, dass “ihre” Kirche sich so öffnen und Menschen bedingungslos empfangen kann. Diese Überraschung war von uns gewollt und wir glauben, dass sie nachwirkt und Kreise zieht. Wir hoffen, dass die Aktion ermutigt, neue Wege zu finden, Kirche-sein immer wieder neu aus dem Leben der Menschen zu entfalten. Der WDR Beitrag jedenfalls hat es gezeigt!

Aber uns haben auch einige Stimmen erreicht, die befremdet und verärgert waren, dass so etwas in “ihrer” Kirche stattfinden darf. Der Punkt an dem sich einige rieben, war das profane Mahl im heiligen Raum. Wir nehmen auch diese Stimmen sehr ernst. Der Pfarrgemeinderat als Veranstalter hat mit den Pfarrern im Vorfeld über diese Aktion gesprochen und sich gemeinsam bewusst dafür ausgesprochen.

Natürlich hat die Pfarrei Franziska von Aachen mehrere Gemeindehäuser, in die man zum gemeinsamen Mahl hätte einladen können. Das geschieht ja auch oft genug, z.B. wenn die Gemeinden Gastgeber der Sonntagsfrühstücke sind. Aber hier ging es ganz bewusst darum, mit dem Tisch in der Kirche ein Zeichen zu setzen. Wir wollten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass in all dem, was ansonsten selbstverständlich an unseren Tischen geschieht, unser Gott mit uns ist: wenn wir beieinander sitzen, einander zuhören, uns an Leib und Seele stärken, trinken, feiern und fröhlich sind. Der Tisch im Kirchenraum macht unausgesprochen die andere Dimension unserer Tischkultur erfahrbar. Sie ist eine Form von Alltagsspiritualität, die es wiederzuentdecken und wertzuschätzen gilt.

Die Tempelreinigung (Johannes 2,13-19) ist sicherlich keine geeignete Bibelstelle, die man in diesem Zusammenhang bemühen sollte. Denn hier geht es gerade darum, über die Person Jesu Christi einen neuen Zugang zu Gott zu finden. Schon eher sollte man sich die Gastmählern Jesu zum Vorbild nehmen, bei denen Jesus Menschen unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen zusammenführte, z.B. bei Markus 2, 15-17. Da sitzen Fromme und Kollaborateure, Theologen, Huren und Geldverleiher mit ihm an einem Tisch und der Heilige hat keine Berührungsängste. Im Gegenteil, er öffnet den Kritikern die Augen für seine Mission, den Menschen zu zeigen, dass Gott alle bedingungslos liebt und einlädt. Wenn die Kirche eine Mission hat, dann ist es, die Mission Jesu in unserer Zeit zu leben.

Darum brauchen wir uns wohl weniger Sorgen um das Heilige in unseren Räumen zu machen, sondern mehr darum, wie wir Gottes Zuwendung den Menschen zeigen können. Oder noch besser, wie Menschen wieder in Kontakt zum Heiligen in ihrem Leben kommen. Als Pfarrei in der Innenstadt haben wir da eine besondere Herausforderung, auf die moderne Gesellschaft einzugehen. Wir müssen weg von der Vorstellung, dass die Moderne der Kirche etwas wegnimmt und dass wir alles Moderne bekämpfen müssen. Im Gegenteil, die Moderne bietet viele Chancen, den Glauben den Menschen in einer neuen Freiheit und Individualität anzubieten. Nur so können wir als Kirche weiter einen relevanten Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft beitragen. Dazu müssen wir uns öffnen, uns den Menschen aussetzen und von ihnen die Botschaft neu lernen, die wir zu verkündigen haben (Bischof Klaus Hemmerle). Das müssen wir teilweise mühsam neu lernen.

Wir lernen die neue Gestalt von Kirche mit Experimenten, durch Versuch und Irrtum, und als solches betrachten wir auch unsere Zu Tisch-Aktion in der Kirche. In dieser Situation ist es wenig hilfreich, traurig zurück zu schauen und sich ängstlich an Regeln zu klammern, sondern wir müssen miteinander auf diesem Weg in die Zukunft unsere Unterschiedlichkeiten in der einen Kirche aushalten und mit Gottes Geist nach vorne schauen. Nur so kann der ganze Reichtum von St. Foillan für die vielen Menschen erhalten bleiben, wo es mittags „Zu Tisch – mit Gott und der Welt“ und abends „Nightfever“ gibt.

Zum Thema “Moderne als Chance” empfehlen wir das aktuelle Interview des Bochumer Pastoraltheologen JProf. Dr. Matthias Sellmann.

Aber auch Papst Franziskus fordert es inzwischen deutlich von seiner Kirche: “Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium).” Der ganze Text.

Dieser Beitrag wurde in Allgemein veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen.