
Ob ihn „Jerusalem“ am Palmsonntag wahrgenommen hat? Die große und geschäftige Stadt! Oder war es nur so etwas wie eine kleine Demo, irgendwo am Rande? Dass jemand auf einem Esel kommt, gehört zur Alltäglichkeit. Doch dieser Mann ist für viele nicht der Alltag. Sie haben erfahren, dass es heilsam ist, ihm nahe zu sein. Und doch haben sie falsche Erwartungen. Er wird sie nicht von der römischen Besatzung befreien. Er ist ein König, aber der König einer anderen Welt, einer Welt, in der Liebe, Barmherzigkeit, Vergebung das Grundgesetz sind.
Abschiednehmen am Gründonnerstag. Im Kreis der engsten Freunde noch einmal feiern. Sich gemeinsam daran erinnern, dass Gott es war, der Israel befreit hat. Die Verbindung zwischen Gott und dem Menschen soll nicht vergessen sein. Und doch braucht sie noch etwas mehr: Das Gottmenschsein. Heute Abend soll diese Verbindung festgeschrieben werden. Ich bin bei euch und werde es immer sein, wenn ihr euch zu meiner Erinnerung immer wieder trefft. Ich bin gegenwärtig in Brot und Wein. Geheimnis des Glaubens.
Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot. Wo sind sie am Karfreitag? Nur noch Maria, Maria Magdalena und Johannes. Die Übriggebliebenen. Ist das das Ende? Das Ende des Heilers? Das Ende der Gemeinschaft? Das Ende des Gottmenschseins? Nein! Es fehlt noch etwas: Dem Tod muss die Macht genommen werden. Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Auf dich vertraue ich. Der Stein vor der Höhle ist groß und schwer. Allein kommt da niemand mehr raus. Der Karsamstag, ein Zeichen der Stille. Totenstille. Ein Zeichen für die Gräber im eigenen Leben: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Sprachlosigkeit. Der Stein verschließt nicht nur die Grabeshöhle, sondern liegt auch auf dem Leben vieler, die noch leben und das Leben als Grab empfinden.

Ostersonntag, nicht eine, sondern DIE Zeitenwende. Mit dem aufgehenden Licht muss die Dunkelheit des Todes kapitulieren. Einer hat ihn besiegt. Die Explosion des Lebens sprengt den Stein von der Höhle des Todes. Gott macht sein Versprechen wahr in Jesus Christus: Ich lebe und auch ihr werdet leben.
Heute ist es ein milliardenfaches Halleluja derer, die glauben, es gibt ein Mehr! Halleluja!
Gerne feiere ich mit Ihnen die Heilige Woche in St. Andreas. Sie ist ein Abbild des Lebens: Jubel – Gemeinschaft – Enttäuschung – Hoffnungslosigkeit und Aufstehen, damit das Leben weitergeht. All das spiegelt diese Woche. Alles gehört zusammen. Ich lade Sie deshalb ein, alle Tage zusammen und gemeinsam zu begehen. Man kann nicht zum Leben auferstehen, ohne vorher zu sterben. Zur Osternacht, zum Osterfest, gehört alles dazu, was vorher geschieht.
Pastor Ralf Freyaldenhoven