Heute von Gott sprechen – aber wie?

AZ-Kolumne „Andererseits – Seelsorger blicken auf die Stadt“ 7. Juni 2017

„Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.“ So berichtet die Apostelgeschichte vom Pfingstereignis, das die christlichen Kirchen am vergangenen Wochenende gefeiert haben. Ein Brausen erfüllte das Haus, in dem sich die Jünger und Jüngerinnen Jesu nach seiner Aufnahme in den Himmel versammelt hatten, Feuerzungen ließen sich auf ihnen nieder, und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden. Ich interpretiere das so, dass hier nicht nur Sprachen wie Griechisch und Arabisch, Englisch und Französisch gemeint sind, sondern dass in diesem Moment jeder und jede Anwesende auf eine Weise, die nur er verstand, die sich an seiner ganz individuellen Lebenswirklichkeit orientierte, angesprochen und im Innersten berührt gefühlt hat.

Übertragen auf heute eine schöne Vorstellung: Mir als Seelsorgerin gelingt es, Menschen so von Gott zu erzählen, dass sie eine Ahnung davon bekommen, welche befreiende und erneuernde Kraft für ihr Leben im christlichen Glauben stecken kann, dass sie neugierig werden und mehr wissen wollen, dass sie sich anstecken lassen von meiner eigenen Begeisterung, dass, pfingstlich gesprochen, der Funke überspringt. Die Realität sieht leider anders aus. Viele Menschen fühlen sich von der Sprache der Institution Kirche, die ja immerhin aus dem oben geschilderten Pfingstereignis hervorgegangen ist, und der Sprache von Seelsorgerinnen und Seelsorgern häufig nicht angesprochen und empfinden das „Kirchisch“ als eine Art Fremdsprache, verklausuliert, weltfremd und deshalb letztendlich bedeutungslos. Kirche und Welt, Glauben und Leben, scheinen zwei verschiedene Sphären zu sein, die nichts miteinander zu tun haben.

Ich glaube, dass dieses Problem auf viele verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, kirchliche, gesellschaftliche und ganz menschliche, und dass es sich nicht einfach lösen lässt. Ich glaube aber auch, dass es helfen würde, wenn wir ehrlich und konstruktiv-kritisch miteinander darüber reden würden, Kirchenvertreter und -vertreterinnen und Nutzer von kirchlichen Angeboten, Gottesdienstbesucherinnen und Interessierte. Trauen wir uns, einander ein Feedback zu geben, fragen wir nach, wenn wir etwas nicht verstehen, erzählen wir einander von unseren Ängsten und Zweifeln, Hoffnungen und von dem, was uns glücklich macht. Im Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist uns die richtigen Worte in den Mund legen wird –  das steht nämlich auch in der Bibel.

Andrea Kett, Bischöfliches Generalvikariat Aachen
andrea[.]kett[at]bistum-aachen[.]de

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