„Knooppunten“ – Orientierung für´s Leben

Die Sonne hat uns ins Freie gelockt in den letzten Tagen. Alle genießen die Wärme auf der Haut, blinzeln in den strahlenden Frühlingshimmel.  Am Wochenende sind wir mit den Rädern losgefahren wie so viele andere.

„95 – 93 – 94 – 97“ – ganz einfach ist die Orientierung, wenn man von Vaals über Lemiers nach Orsbach will. Ich bin jedes Mal auf´s Neue davon begeistert. „Knooppunten“ – so heißen sie auf Niederländisch.  Schön „knubbelig“ hört sich das für meine Ohren an.  „Knotenpunkte“ klingt da schon prosaischer.

Orientierung geben sie über alle Sprachen hinweg und sind auch schon länger auf unserer Grenzseite heimisch als Orientierungssystem für´s Radfahren. Mit einer Liste solcher Zahlen könnte ich den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs sein, ganz ohne Karte oder GPS.

Was würde ich mir das manchmal für mein Leben wünschen – so klare Orientierungspunkte!  Wissen, wo es langgeht – nicht zaudern bei Entscheidungen – Klarheit haben statt „rumeinern“. Das wäre es doch!

So radeln wir ganz entspannt den Knooppunten nach. „93“ – quer durch die Altstadt von Vaals geht es. So viel ist links und rechts des Weges durch die Altstadt zu schauen. „94“ – über die Felder fahren wir in die Weite der Landschaft und dann nach Lemiers. Wir hören Stimmen hinter der verschlosssenen Tür der Katharina-Kapelle in Alt-Lemiers, klopfen an und  entdecken das beeindruckende Innere. Gut ist es, nicht nur die Schilder mit den Knotenpunkten im Blick zu haben, sondern die Sinne offen zu haben. „97“ – wir kämpfen uns den steilen Anstieg nach Orsbach hoch.

In meinem Leben werde ich die Knotenpunkte wahrscheinlich erst im Nachhinein entdecken. Eben, wie es Sören Kierkegaard auf den Punkt gebracht hat mit seinem Satz, dass sich das Leben nur rückwärts verstehen lässt, es aber vorwärts gelebt werden muss. Aber auch schon bei unserer Fahrradtour tut es uns gut, die eigenen Wegmarken zu finden. Über die Höhe radeln wir auf dem „Schlangenweg“ Richtung Melaten zurück – ganz ohne „Knooppunten“ und wunderschön.

Redmer Studemund, Pfarrer an der Immanuelkirche

redmer[.]studemund[at]ekir[.]de

Beitrag erschien in der AZ-Kolumne “anderseits”

Foto: Rene Wouters – Bordjescultuur (cc by-nc)/ flickr.com

 

 

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